Ausgangslage
Bei der Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen gibt es verschiedene Standardszenarien, die im Insolvenzbüro oft ebenso standardisiert abgehandelt werden. Das gilt grundsätzlich auch bei der Überprüfung von Pfändungen des schuldnerischen Bankkontos. Wird eine Befriedigung des pfändenden Gläubigers durch eine sog. Drittschuldnerzahlung außerhalb des Dreimonatszeitraums vor Zugang des Insolvenzantrages bei Gericht (Krise) ermittelt, dann gilt diese Vermögensverschiebung regelmäßig als nicht anfechtbar. Ficht man dennoch an, dann reagieren die Anfechtungsgegner regelmäßig mit Unverständnis und argumentieren pauschal, Zahlungen auf Kontopfändungen könnten – wenn überhaupt – jedenfalls nur für einen Zeitraum von drei Monaten vor Insolvenzantragsstellung angefochten werden.
Die rechtliche Ausgangslage außerhalb der Krise erscheint klar: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat wiederholt entschieden, dass eine Befriedigung durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Rahmen der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO als kongruent zu betrachten ist und überdies als Rechtshandlung des Anfechtungsgegners nicht der auf Rechtshandlungen des Schuldners beschränkten Vorsatzanfechtung unterliegt.
Geschieht das Ganze dagegen innerhalb der Krise, dann liegt Inkongruenz vor, die regelmäßig zur Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 InsO führt, weil es nach dieser Vorschrift ausreichend ist, wenn irgendeine Rechtshandlung zur Befriedigung des vollstreckenden Gläubigers geführt hat.
Und doch gibt es Fälle, in denen ein Gläubiger nach Zustellung der Pfändung bei der Hausbank des Schuldners außerhalb des Dreimonatszeitraums befriedigt wird und der Insolvenzverwalter genau diese Vermögensverlagerung (und ggf. auch alle Folgezahlungen) erfolgreich anfechten kann. Bei einer näheren Beschäftigung mit den in der Praxis regelmäßig vorkommenden Sachverhalten fällt sogar auf, dass häufig Anfechtbarkeit gegeben ist. Es lohnt sich also, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Genau das will der vorliegende Beitrag erreichen.
Typischer Sachverhalt und Rechtslage bei Kontopfändungen
Schuldner in wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben häufig öffentliche und private Gläubiger. Jede dieser Gläubigergruppen gelangt auf andere Weise zu einem gerichtlichen Titel gegen den Schuldner und vollstreckt auch anders in das schuldnerische Bankkonto.
Öffentliche Gläubiger
Öffentliche Gläubiger sind insbesondere Finanzämter und Krankenkassen, die selbst Leistungsbescheide erlassen können. Auf diese Weise können sie ihre Forderungen gegen den Schuldner ohne Einschaltung eines Gerichts titulieren. Sobald ein solcher Leistungsbescheid rechtskräftig (oder sofort vollziehbar) ist, dann kann er Grundlage einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung sein, die der öffentliche Gläubiger durch die zuständige Vollstreckungsbehörde regelmäßig ebenfalls selbst erlassen kann. Sodann kann die Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch den öffentlichen Gläubiger selbst bei der Bank des Schuldners zugestellt werden und entfaltet dort sofort Wirkung. Die Zustellung bewirkt eine Beschlagnahme aller gegenwärtigen und regelmäßig auch zukünftigen Guthaben des Schuldners gegen seine Bank und es entsteht ein Pfandrecht an diesen Ansprüchen. Der öffentliche Gläubiger kann diese gepfändeten Auszahlungsansprüche auch selbst bei der Bank einziehen (deshalb: Pfändungs- und Einziehungsverfügung). Die Bank ist nach Zustellung der Pfändung sog. Drittschuldnerin. Die auf dem schuldnerischen Konto bei der Befriedigung des pfändenden Gläubigers dargestellte Belastungsbuchung wird deshalb auf den Kontoauszügen regelmäßig als „Drittschuldnerzahlung“ bezeichnet. In der Praxis ebenfalls häufig anzutreffen sind die Bezeichnungen „wegen Pfändung“, „wg. Pfändung“ oder schlicht „Pfändung“.
Weil öffentliche Gläubiger anders als private Gläubiger kein aufwändiges gerichtliches Verfahren durchlaufen müssen, um eine Kontopfändung vornehmen zu können, dominieren die öffentlichen Gläubiger das Pfändungsgeschehen in der Praxis häufig. Es kommt hinzu, dass sie ihre Verbindung zu säumigen Schuldnern – anders als z. B. Lieferanten oder andere private Gläubiger – nicht einfach aufkündigen können, um so das Entstehen weiterer Forderungen zu vermeiden. Sie können sich ja noch nicht einmal ihre Schuldner im Vorfeld einer Zusammenarbeit selbst aussuchen. Für anfechtende Insolvenzverwalter hat diese dauerhafte Verbindung zwischen Schuldner und öffentlichen Gläubigern einen entscheidenden Vorteil: Weil die öffentlichen Gläubiger den Schuldner oft viel besser kennen als private Gläubiger lassen sich die Kenntniselemente der Anfechtungsnormen – insbesondere eine Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners – viel einfacher darlegen und nachweisen.
Private Gläubiger
Private Gläubiger benötigen einen rechtskräftigen oder vorläufig vollstreckbaren Titel gegen den Schuldner, um sodann beim zuständigen Vollstreckungsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) beantragen zu können. Nach Erlass und Zustellung des PfÜB bei der Bank tritt die Beschlagnahmewirkung ein und es entsteht ein Pfandrecht an gegenwärtigen und künftigen Kontoguthaben. Weil der PfÜB auch einen Überweisungsbeschluss enthält, darf auch der private Gläubiger die gepfändeten Forderungen des Schuldners gegen seine Bank selbst einziehen. Denn regelmäßig werden dem Gläubiger die gepfändeten Geldforderungen im PfÜB gemäß § 835 Abs. 1 1. Alt. ZPO „zur Einziehung“ überwiesen.
Relevanz für die Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen
In vielen Fällen läuft der ganze Vorgang der Titulierung, Pfändung und Drittschuldnerzahlung ohne irgendeine aktive Mitwirkung des Schuldners ab, so dass es häufig an einer Rechtshandlung des Schuldners fehlt und deshalb eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs.1 InsO ausscheidet. In diesen Fällen kann die Vermögensverlagerung durch Kontopfändung nur im Dreimonatszeitraum auf Grundlage von § 131 Abs. 1 InsO angefochten werden.
Ist dagegen eine aktive Mitwirkungshandlung des Schuldners festzustellen, dann ist ein Anspruch des Insolvenzverwalters nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO gegen den pfändenden Gläubiger näher zu prüfen. Erheblich ist insbesondere, ob die Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners anzusehen ist oder nicht. Ebenso entscheidend ist, ob auch die Entstehung des Pfändungspfandrechts an den Guthabenforderungen des Schuldners gegen seine Bank auf eine Rechtshandlung des Schuldners zurückgeführt werden kann.
Bei der Prüfung dieser Tatbestandsmerkmakle ist zunächst vor einer ungeprüften Übernahme der älteren Rechtsprechung zu § 133 Abs. 1 InsO zu warnen. Das gilt weniger wegen der am 05.04.2017 in Kraft getretenen Reform des Insolvenzanfechtungsrechts als vielmehr wegen einer bedeutsamen Rechtsprechungsänderung des BGH mit zwei Entscheidungen vom 01.06.2017. Kurz gesagt steht seit dieser Rechtsprechungsänderung fest, dass die Mitwirkungshandlung des Schuldners nicht mehr irgendeine untergeordnete Rolle für die Befriedigung des pfändenden Gläubigers haben darf, sondern dass sie ein zumindest vergleichbares Gewicht erreichen muss, wie die Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers selbst.
Auch nach diesen strenger gewordenen Maßstäben gibt es aber oft Sachverhalte, in denen die Möglichkeit besteht, die vorgenannten Drittschuldnerzahlungen auch außerhalb der Krise nach den Regeln des § 133 Abs. 1 InsO anzufechten. In diesen Fällen können regelmäßig insbesondere die praxisrelevanten Tatbestandsmerkmale der „Rechtshandlung des Schuldners“ (vgl. dazu unter a.), der (objektiven) Gläubigerbenachteiligung (vgl. dazu sodann unter b.) sowie auch einer Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Rechtshandlung des Schuldners (vgl. dazu schließlich unter c.) bejaht werden. Aus der Auseinandersetzung mit den rechtlichen Anforderungen dieser Tatbestandsmerkmale lassen sich zugleich Praxistipps für die Arbeit im Insolvenzbüro ableiten.
Rechtshandlung des Schuldners
Die rechtliche Ausgangslage
Es ist Aufgabe des nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtenden Insolvenzverwalters, darzulegen und bei Bedarf nachzuweisen, dass eine Rechtshandlung des Schuldners vorliegt. Die Drittschuldnerzahlung durch die Bank ist mangels Mitwirkung des Schuldners keine eigene Rechtshandlung. Denn nach der Rechtsprechung des BGH setzt eine solche Rechtshandlung stets ein willensgeleitetes verantwortungsgesteuertes Handeln des Schuldners voraus. Nach dieser Rechtsprechung muss der Schuldner selbst darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert, was bei einer Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht der Fall ist. Dagegen ist eine Rechtshandlung des Schuldners aber immer dann anzunehmen, wenn der Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme fördert und sein Beitrag ein gewisses Gewicht erreicht. Die Handlung des Schuldners muss so bedeutsam sein, dass die Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers auch als Handlung des Schuldners anzusehen ist; sie muss einer freiwillig gewährten Befriedigung gleichzustellen sein. Daran fehlt es, wenn der Schuldner seinen Geschäftsbetrieb in der bisher geübten Weise fortsetzt, sich also nicht anders verhält, als er es auch ohne die Vollstreckungsmaßnahme getan hätte.
Wichtig ist dabei, dass der BGH es als ausreichend ansieht, wenn der Schuldner seine Bank anweist, Geld an den pfändenden Gläubiger zu überweisen. Laut BGH gilt dies ausdrücklich auch dann, wenn zuvor Ansprüche auf Auszahlungen von diesem Konto zu Gunsten des Zahlungsempfängers gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen worden sind. Anders als im Fall der Aushändigung des Kassenbestandes an einen bereits anwesenden Vollstreckungsbeamten stehe nämlich nach der Pfändung des Anspruchs auf Auszahlung eines Kontoguthabens und dessen Überweisung zur Einziehung noch gar nicht fest, dass der Abfluss eines Vermögenswerts unmittelbar bevorsteht. Denn es bleibe zunächst offen, ob und ggf. wann der Gläubiger von seiner Ermächtigung zur Einziehung der gepfändeten Forderung überhaupt Gebrauch macht. Der Schuldner, der in dieser Situation seine Bank anweist, eine Überweisung an den Pfändungsgläubiger auszuführen, nimmt laut BGH eine selbstbestimmte Handlung und damit eine Rechtshandlung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO vor.
In folgenden oft vorkommenden Fällen ist im Zusammenhang mit Kontopfändungen eine Rechtshandlung des Schuldners anzunehmen:
- Der Schuldner weist seine Bank nach Eingang der Pfändung an, vorhandenes Guthaben an den pfändenden Gläubiger zu überweisen, wobei es unerheblich ist, ob diese Überweisung von einem gepfändeten Konto vorgenommen wird oder von einem anderen Konto des Schuldners;
- der Schuldner zahlt Geld auf das durch den Gläubiger gepfändete Konto ein oder veranlasst eine entsprechende Einzahlung, wobei diese Einzahlung nicht lediglich einer Fortsetzung seines Geschäftsbetriebs in der bisher geübten Weise entspricht; das Gleiche dürfte unter diesen Voraussetzungen für Überweisungen auf das gepfändete Konto von anderen – nicht gepfändeten – Konten gelten;
- das Konto ist bei Zustellung der Pfändung bei der Bank debitorisch und der Schuldner ruft nach Zustellung Kreditmittel aus seinem noch nicht ausgeschöpften Kontokorrentkredit ab, um den Gläubiger zu befriedigen;
- das Konto ist bei Zustellung der Pfändung bei der Bank debitorisch und der Schuldner überweist Mittel aus einer von der Bank lediglich geduldeten Überziehung des Kontos, um den Gläubiger zu befriedigen.
Dagegen scheidet eine Rechtshandlung des Schuldners in folgenden Fällen aus:
- Der Schuldner setzt nach einer Pfändung seines Kontos seinen Geschäftsbetrieb in der bisher geübten Weise fort; dann sind weder die Leistungserbringung an die Kunden noch die Abrechnung oder Übersendung einer Rechnung Rechtshandlungen des Schuldners; das gilt auch, wenn dadurch Guthaben auf dem Konto entstehen, die die Befriedigung des Gläubigers ermöglichen;
- auch Einzahlungen des Schuldners auf das gepfändete Konto sind keine Rechtshandlungen des Schuldners, wenn es auch bereits zuvor seiner Geschäftstätigkeit entsprach, dass er Einzahlungen auf das Konto vornimmt und er diese Geschäftstätigkeit unverändert fortsetzt; für Überweisungen des Schuldners auf das gepfändete Konto von einem nicht gepfändeten Konto dürfte unter diesen Voraussetzungen das Gleiche gelten;
- unterlässt es der Schuldner, seinen Forderungseinzug nach der Kontopfändung umzustellen, liegt darin ebenfalls kein nach § 129 Abs. 2 InsO einer Rechtshandlung des Schuldners gleichzustellendes Unterlassen; ebenfalls reicht es für ein gleichzustellendes Unterlassen nicht aus, wenn der Schuldner es unterlässt, ein neues Konto zu eröffnen oder auf Barzahlung umzustellen.
Die Konsequenzen für die Prüfung von Anfechtungsansprüchen im Insolvenzbüro
Aus dieser Rechtslage folgt für die Arbeit im Insolvenzbüro, dass die Kontoauszüge des gepfändeten Kontos – ebenso wie die Auszüge weiterer Schuldnerkonten – auf Überweisungen des Schuldners auf das gepfändete Konto, Einzahlungen oder Überweisungen an den Gläubiger im zeitlichen Zusammenhang mit der ausgebrachten Kontopfändung durchgesehen werden sollten. Die zugrundeliegenden Abläufe sind mit dem Schuldner zu erörtern. Insbesondere sollte entweder mit dem Schuldner oder aber – soweit vorhanden – mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Bank erörtert werden, ob der Befriedigung des pfändenden Gläubigers außerhalb der Krise eine Anweisung des Schuldners an seine kontoführende Bank vorausgegangen ist, gerade diese Zahlung vorzunehmen. Über die jeweiligen Gespräche sollte ein Telefonvermerk geführt werden, der – falls erforderlich – auch dem Anfechtungsgegner in Kopie übersendet werden kann, um den relevanten Sachverhalt und die vorhandenen Beweismittel verdeutlichen zu können, noch bevor ein Klageverfahren notwendig wird.
Ebenso sollte geprüft werden, ob der pfändende Gläubiger von einem debitorisch geführten Konto befriedigt worden ist. Denn das spricht regelmäßig für eine Rechtshandlung des Schuldners in Form des Abrufs von Kreditmitteln aus einem Kontokorrentkredit oder aber der Inanspruchnahme einer von der Bank geduldeten Überziehung. Auch hier sollte der Sachverhalt dem Anfechtungsgegner nachgewiesen werden, insbesondere durch Übersendung der passenden Kontoauszüge mit den debitorischen Salden.
Objektive Gläubigerbenachteiligung
Die rechtliche Ausgangslage
Der Insolvenzanfechtung unterliegen gem. § 129 Abs. 1 InsO nur solche Rechtshandlungen, die die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligen. Eine derartige Benachteiligung liegt dabei vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert. Eine Befriedigung, die ein Gläubiger auf Grund eines insolvenzfesten Absonderungsrechts erlangt, benachteiligt die Gesamtheit der Gläubiger jedoch nicht. Das gilt auch bei Kontopfändungen, weil die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers ohne Benachteiligung der übrigen Gläubiger erfolgt, wenn sie aufgrund eines Pfändungspfandrechts stattfindet, das den Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO berechtigt. Denn der Gläubiger erhält dann nur das, was ihm bereits aufgrund des insolvenzfesten Pfändungspfandrechts ohnehin zusteht. Abweichendes kann nur dann gelten, wenn das Pfandrecht seinerseits der Insolvenzanfechtung unterliegt.
Bei den hier interessierenden Kontopfändungen außerhalb der Krise ist also zusätzlich zu prüfen, ob das Entstehen des Pfändungspfandrechts ebenfalls auf einer gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung des Schuldners beruht, die der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO unterfällt.
Für eine derartige Rechtshandlung des Schuldners gelten die Ausführungen oben: Auch das Pfändungspfandrecht beruht auf einer Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Schuldner mit einem maßgeblichen Gewicht aktiv an dem Entstehen des Pfandrechts mitgewirkt hat. Häufig ist es eine einheitliche Rechtshandlung des Schuldners, die zugleich zum Entstehen eines anfechtbaren Pfandrechts und ebenso zum Eintritt der anfechtbaren Vermögensverlagerung führt. Das ist z. B. der Fall, wenn der Schuldner bei Zustellung der Pfändung ein debitorisches Konto führt und Kreditmittel aus seinem Kontokorrentkredit zur Befriedigung des pfändenden Gläubigers abruft. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner Geld von einem nicht gepfändeten Konto auf das gepfändete debitorische Konto überweist. Denn in beiden Fällen entsteht erst durch eine maßgebliche Rechtshandlung des Schuldners überhaupt ein Kontoguthaben, das Gegenstand des Pfandrechts sein kann.
Ebenfalls liegt eine Anfechtbarkeit des Pfandrechts vor, wenn der Schuldner aktiv die Titulierung einer gegen ihn gerichteten Forderung mit der Gläubigerin abgesprochen und sodann hingenommen hat. Denn diese Titulierung ist elementare Voraussetzung der späteren Pfändung.
Voraussetzung einer Anfechtbarkeit des Pfändungspfandrechts ist weiter, dass das an dem Kontoguthaben entstandene Pfändungspfandrecht die Gläubiger des Schuldners benachteiligt. Eine derartige Benachteiligung liegt bei der Begründung eines Pfandrechts nach der Rechtsprechung aber grundsätzlich vor. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass das Pfändungspfandrecht ein Recht des Gläubigers auf abgesonderte Befriedigung aus den gepfändeten Forderungen begründet. Das reicht zur Annahme einer Benachteiligung aller anderen Gläubiger aus.
Die Konsequenzen für die Prüfung von Anfechtungsansprüchen im Insolvenzbüro
Stets zu prüfen hat das Insolvenzbüro im Falle der Befriedigung des pfändenden Gläubigers außerhalb der Krise, ob das Konto zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung und Auszahlung an den pfändenden Gläubiger debitorisch geführt wurde oder nicht. Ist das der Fall und erfolgte die Befriedigung des Gläubigers sodann durch Abruf aus einem Kontokorrentkredit, einem Dispositionskredit oder aber einer geduldeten Überziehung des Kontos, dann ist auch das Pfändungspfandrecht durch Anfechtung zu beseitigen. Denn regelmäßig liegt in diesen Fällen eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners vor, weil der Abruf der Kreditmittel nur höchstpersönlich erfolgen kann. Ebenfalls angefochten werden kann das Pfändungspfandrecht, wenn der Schuldner auf andere Weise aktiv wird, um das gepfändete debitorische Konto aufzufüllen, etwa durch Überweisungen oder durch Bareinzahlung. Das gleiche gilt, wenn der Schuldner zuvor aktiv – und mit maßgeblichem Gewicht – an der Titulierung der zugrundeliegenden Forderung gegen ihn selbst mitgewirkt hat.
Vor diesem Hintergrund sollte das Insolvenzbüro für die Prüfung von Anfechtungsansprüchen schriftliche Informationen von sämtlichen kontoführenden Banken des Schuldners einholen. Jedenfalls für den Zeitraum ab Eintritt der Insolvenzreife bis zur Insolvenzeröffnung sollte neben den ggf. erforderlichen Kontoauszügen auch eine Liste aller der jeweiligen Bank zugestellten Kontopfändungen angefordert werden. Zusätzlich kann abgefragt werden, in welchem Zeitraum dem Schuldner welche Kontokorrentrahmen zur Verfügung gestellt worden sind. Diese Auskünfte werden in der Praxis von den Banken ohne Protest erteilt; zumeist allerdings nur gegen Erstattung der Recherchekosten.
Nachdem auf diese Weise ermittelt worden ist, welche öffentlichen Gläubiger in der Vergangenheit Kontopfändungen gegen den Schuldner vorgenommen haben, sollte das Insolvenzbüro bei diesen Gläubigern bestehende Auskunftsansprüche nach dem Informationsfreiheits- und Transparenzrecht des Bundes und der Länder geltend machen. Wird eine abweichende Vollstreckungsbehörde tätig, dann sind auch dort Auskunftsansprüche geltend zu machen. Praxisrelevant sind hier insbesondere die Auskunftsansprüche gegenüber der Bundeszollverwaltung als Vollstreckungsbörde nach dem IFG des Bundes. Denn auf diese Weise kann der Insolvenzverwalter z. B. detaillierte Informationen zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erhalten, die das Hauptzollamt als Vollstreckungsbehörde für Sozialversicherungsträger ausgeführt hat.
Die vorgenannten Unterlagen sind nicht nur für die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen wichtig, sondern können dem Insolvenzverwalter zugleich auch als Beweismittel dienen. Denn mit diesen Unterlagen kann der anfechtende Insolvenzverwalter z. B. nachweisen, dass eine Befriedigung aus einer nicht voll ausgeschöpften Kreditlinie oder einer geduldeten Kontoüberziehung erfolgte und so das Pfändungspfandrecht durch Anfechtung beseitigen.
Wichtig ist allerdings das Verständnis, dass es für eine Anfechtbarkeit des Pfändungspfandrechts nicht ausreichend ist, wenn der Schuldner seine Bank angewiesen hat, aus einem bei Zustellung der Pfändung vorhandenen Guthaben eine Auszahlung an den pfändenden Gläubiger vorzunehmen. Denn das Pfandrecht an dem Guthaben ist nicht erst infolge der Anweisung des Schuldners entstanden, sondern bereits unmittelbar bei Zustellung der Pfändung.
Kenntnis des Anfechtungsgegners
Die rechtliche Ausgangslage
Entschieden werden anfechtungsrechtliche Auseinandersetzungen zumeist mit der Beantwortung der Streitfrage, ob der Anfechtungsgegner den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte oder nicht. Das ist der Fall, wenn der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung (§ 140 InsO) den Vorsatz des Schuldners tatsächlich positiv kannte oder aber eine Kenntnis nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO zumindest vermutet werden kann. Zu diesem Thema soll hier nicht weitergehend Stellung genommen werden, weil es sich hier um ein allgemeines Problem der Insolvenzanfechtung handelt, ohne dass maßgebliche Besonderheiten bei Kontopfändungen außerhalb des Dreimonatszeitraums gelten würden.
Ein weiteres wichtiges Tatbestandsmerkmal, zu dem insbesondere bei Kontopfändungen außerhalb der Krise stets Stellung zu nehmen ist, ist die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Rechtshandlung des Schuldners. Denn der von § 133 Abs. 1 S. 1 InsO verlangte Benachteiligungsvorsatz des Schuldners knüpft an die von ihm vorgenommene gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung an.
Für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners steht fest, dass die subjektiven Voraussetzungen der Vorschrift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht überspannt werden dürfen. Deshalb muss sich der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht gerade auf die später tatsächlich eingetretene Benachteiligung bezogen haben. Es ist also nicht erforderlich, dass der Anfechtungsgegner alle Umstände, aus denen sich der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ergibt, im Einzelnen kennt; ausreichend ist damit, wenn der Benachteiligungsvorsatz im Allgemeinen bekannt ist. Aus diesem Grund muss der Anfechtungsgegner auch die Rechtshandlung selbst nicht in allen Einzelheiten kennen. Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Gläubiger von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners Kenntnis hat und nach allgemeiner Erfahrung eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners zugrunde legen muss. Eine Kenntnis von der Rechtshandlung ist damit schon dann anzunehmen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, in dem sich der Gläubiger der Möglichkeit nicht verschließen kann, dass eine Zahlung an ihn auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht, die die Gläubigergesamtheit benachteiligt. Umgekehrt formuliert es der BGH wie folgt: Eine fehlende Kenntnis von der Rechtshandlung kann nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen anerkannt werden, beispielsweise dann, wenn bei unvoreingenommener Betrachtung eine (gläubigerbenachteiligende) Rechtshandlung des Schuldners zuverlässig ausgeschlossen werden darf.
Die Konsequenzen für die Prüfung von Anfechtungsansprüchen im Insolvenzbüro
Wahrscheinlich führen viele Unternehmen, die von Kontopfändungen betroffen sind, debitorische Konten, bei denen der Kreditrahmen weitestgehend ausgeschöpft wird. Das gilt erst Recht, wenn es um Unternehmen aus den Bereichen Handwerk oder Handel geht, die regelmäßig über Kontokorrentkredite Material oder Waren vorfinanzieren. Liegt also ein solcher Sachverhalt vor, dann muss der pfändende Gläubiger es zumindest für möglich halten, dass seine Befriedigung unter Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredites oder einer geduldeten Überziehung stattgefunden hat. Da dies nur durch den Schuldner höchstpersönlich stattfinden kann, hat der Gläubiger dann auch ausreichende Kenntnis von einer (gläubigerbenachteiligenden) Rechtshandlung des Schuldners.
Handelt es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person, dann kann § 835 Abs. 2 ZPO ein zusätzliches Argument für die Kenntnis des Gläubigers von der Rechtshandlung des Schuldners liefern: Die Norm sieht nämlich vor, dass die Bank den pfändenden Gläubiger erst vier Wochen nach Zustellung der Kontopfändung befriedigen darf; geht es schneller, dann muss der Gläubiger regelmäßig davon ausgehen, dass eine Handlung des Schuldners an der Auszahlung mitgewirkt hat.
Fazit
Wird ein Gläubiger nach einer Pfändung des schuldnerischen Bankkontos außerhalb der Krise befriedigt, dann lohnt es sich für das Insolvenzbüro, die Prüfung einer Anfechtbarkeit der Vermögensverlagerung nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO nicht vorschnell schematisch auszuschließen. Vielmehr sollte der zugrundeliegende Sachverhalt genau geprüft werden und dazu sollten Informationen bei der Bank, bei dem Schuldner und bei den pfändenden öffentlichen Gläubigern und von der eingeschalteten Vollstreckungsbehörde eingeholt werden.
Auch wenn der BGH die Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der „Rechtshandlung des Schuldners“ zuletzt verschärft hat, gibt es noch zahlreiche Sachverhalte, bei denen gute Chancen für eine erfolgreiche Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO im Rahmen von Kontopfändungen bestehen. Praxisrelevant sind vor allem folgende Fälle:
- Der Schuldner befriedigt den pfändenden Gläubiger aus einem Kontokorrentkredit oder aus einer geduldeten Überziehung heraus; dann liegt oft Anfechtbarkeit vor, denn den Abruf von Kreditmitteln kann der Schuldner nur höchstpersönlich vornehmen, so dass sowohl das Pfandrecht als auch die Befriedigung auf einer maßgeblichen freien Willensentscheidung des Schuldners beruhen;
- auch Anweisungen an die Bank nach Pfändung eines vorhandenen Kontoguthabens reichen zur Annahme einer Rechtshandlung des Schuldners regelmäßig aus, wobei dann zusätzlich die Anfechtbarkeit des am Guthaben bestehenden Pfändungspfandrechts gesondert zu prüfen ist;
- schließlich kommt auch bei Auffüllung des debitorischen Kontos durch Bareinzahlung oder Überweisung von einem anderen Konto Anfechtbarkeit in Betracht.