LG München zur Mietminderung bei Gewerbemiete wegen Corona
Anders als die Landgerichte Frankfurt a. M. (2-15 O 23/20) und Lüneburg (5 O 158/20) hat das Landgericht München I (3 O 4495/20) sich an die Seite der vom Lockdown betroffenen Gewerbemieter gestellt. Es hat entschieden, dass sowohl die coronabedingten Ladenschließungen im April 2020 als auch die bis 11.05.2020 geltende Beschränkung der Verkaufsfläche auf bis zu 800 qm in den betroffenen Mietverhältnissen jeweils einen Mietmangel nach § 536 BGB darstellt, der zur Minderung der Miete berechtigt. Das gleiche gilt nach der Entscheidung des Gerichts auch für die ab dem 12.05.2020 geltenden Kundenbeschränkungen und für den damit verbundenen Anpassungsaufwand des Geschäftsinhabers. Schließlich bejahte das Gericht ein Minderungsrecht des Mieters auch wegen der Einschränkung der aufzunehmenden Kunden (ein Kunde pro 20 Quadratmeter Ladenfläche) und wegen der Verpflichtung zur Einhaltung eines Hygienekonzepts.
Zugleich sah das Gericht in der vorliegenden Konstellation eine Störung der Geschäftsgrundlage. Denn die Vertragsparteien des Mietvertrages hätten bei Vertragsabschluss die Folgen einer eintretenden Corona-Pandemie offenkundig nicht bedacht, so dass eine Anpassung nach § 313 Abs. 1, Abs. 2 BGB stattfinden könne. Es könne deshalb eine Anpassung der Miete verlangt werden, wobei dies im Ergebnis mit der Höhe der gesetzlichen Minderung gleichlaufe.
Die Mängelhaftungsregelungen seien hier aber vorrangig vor dem Institut der Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden.
Gemindert werden kann nach Auffassung des Gerichts wie folgt:
Zu dem vorliegenden Mietmangel führt das Gericht wie folgt aus:
Schriftlich festgelegter (§ 1 Mietvertrag) und überdies deutlich von den Parteien vorausgesetzter Mietzweck war der Betrieb zur Nutzung als Möbelgeschäft mit Wohnaccessoires zum Zwecke des Einzelhandels. Dieser Mietzweck konnte nach den öffentlich-rechtlichen Beschränkungen infolge der Corona-Epidemie nicht mehr eingehalten werden. Diese Beschränkungen fallen nicht in den Risikobereich der beklagten Mieterin. Soweit vertragsgemäß (§ 1 1.1) festgehalten ist, dass die Mieterin verpflichtet ist, auf ihr Risiko alle weiteren etwaigen für ihren Betrieb erforderlichen behördlichen Genehmigungen einzuholen und aufrechtzuerhalten, führt dies zu keiner anderen Risikoverteilung, da dies nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien nur baurechtliche oder ggf. arbeitsrechtliche Genehmigungen sein konnten; die Parteien haben sich sicherlich zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags keine Gedanken um Nutzungseinschränkungen in der Innenstadt wegen seuchenrechtlicher Maßnahmen gemacht. Damit trifft die behördliche Einschränkung die vertragsgemäß vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit der Mietsache selbst, da nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien gerade ein Ladengeschäft für hochwertige Möbel und hochwertige Möbelaccessoires in zentraler Münchner Lage betrieben werden sollte. An diesem Mietzweck muss sich auch die Vermieterin festhalten lassen, der zudem gelegen war eine hochwertige Umgebung für das Gesamtensemble zu erhalten. (…) Vorliegend ist aber der vereinbarte und von beiden Parteien vorausgesetzte Nutzungszweck der Mietsache, auf dem die Fruchtziehung der Beklagten beruht, erheblich gestört. Dies begründet in der vorliegenden Gewerbemiete mit oben angeführten Darlegungen einen Mietmangel.
Zu der ebenfalls angenommenen Störung der Geschäftsgrundlage argumentiert das Gericht wie folgt:
In vorliegender Konstellation ist eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben, da die Parteien die Folgen einer eintretenden Corona-Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen durch den Staat offenkundig nicht bedacht haben und so den Vertrag kaum geschlossen hätten (vgl. § 313 Abs. 1, Abs. 2 BGB). In den Rechtsfolgen wäre die Anpassung ganz offenkundig in einer reduzierten Miete gelegen, wobei die Höhe der gesetzlichen Minderung entspräche. Indes erscheint die Anwendung der Mängelhaftungsregelungen vorrangig (Palandt a.a.O., § 313, Rd.Ziffern 12, 61).
Die Entscheidung ist insbesondere wichtig für alle Gewerbemieter, die eine Immobilie zu einem bestimmten im Mietvertrag festgelegten Zweck angemietet haben, für den die Immobilie aufgrund der Corona-Pandemie aber nicht oder nur eingeschränkt nutzbar ist. Das dürfte insbesondere auch für Betreiber von Gaststätten oder Fitnessstudios gelten.
Zu beachten ist allerdings, dass es auch Landgerichte gibt, die abweichend entschieden haben. Das gilt z.B. für das LG Frankfurt a.M. (2-15 O 23/20) und das Landgericht Lüneburg (5 O 158/20).
Zwischenzeitlich hat die Politik durch eine Gesetzesänderung auch eine Klärung vorgenommen: coronabedingte Beschränkungen sind regelmäßig eine Störung der Geschäftsgrundlage für ein Mietverhältnis. Auch danach soll es also Anpassungsrechte des Mieters im Hinblick auf die Miethöhe geben.
In einer aktuellen Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 01.04.2021 (8 U 1099/20) wurde sodann vergleichbar entschieden, wobei das Gericht hier ein hälftige Teilung des Risikos zwischen Mieter und Vermieter angenommen worden ist: Kommt es aufgrund der Pandemie zu einer angeordneten Geschäftsschließung, dann ist wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Miete auf die Hälfte herabzusetzen.
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