Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes – SanInsFoG) ist ein Artikelgesetz, das als Kernstück in Artikel 1 das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) enthält. Zugleich sieht das SanInsFoG Änderungen in mehreren Bundesgesetzen vor.
Das Gesetz ist zum 0101.2021 in Kraft getreten und ist unter nachfolgendem Link zum Bundesgesetzblatt abrufbar:
Der Gesetzgebungsprozess in der zweiten Jahreshälfte 2020 war allerdings kontrovers:
Der Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes – SanInsFoG) ist ein Artikelgesetz, das als Kernstück in Artikel 1 das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) enthält. Zugleich sieht das SanInsFoG Änderungen in mehreren Bundesgesetzen vor.
Der Referentenentwurf des SanInsFoG sah ursprünglich auch eine Konzentration der Insolvenzgerichte für Unternehmensinsolvenzen an nur einem Standort je Landgerichtsbezirk vor. Dazu sollte § 2 InsO geändert werden. Die Fassung des § 2 InsO, die geändert werden sollte, lautete wie folgt:
§ 2 Amtsgericht als Insolvenzgericht
(1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk dieses Landgerichts ausschließlich zuständig.
(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
Die bisher in Niedersachsen genutzte Möglichkeit, zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen, ist sinnvoll, weil in einem Flächenland leistungsfähige Amtsgerichte vor Ort vorhanden sein müssen, um Unternehmensinsolvenzen und Sanierungen effektiv abwickeln und gestalten zu können. Überall an den Amtsgerichten im Bezirk des Landgerichts Osnabrück, die derzeit als Insolvenzgerichte tätig sind (AG Lingen, AG Meppen, AG Nordhorn, AG Bersenbrück und AG Osnabrück), gibt es hochqualifiziertes Personal, das spezialisiert und erfahren jährlich hunderte von Unternehmensinsolvenzen bearbeitet. Es gibt insgesamt sehr leistungsfähige und ortsnahe Strukturen im Insolvenzbereich. Diese Strukturen sollten nach Auffassung unserer Kanzlei nicht aufgegeben werden; erst recht nicht im Vorfeld einer zu erwartenden – pandemiebedingten – Insolvenzwelle.
Dennoch sah der Referentenentwurf und später auch der Regierungsentwurf des SanInsFoG vor, die Möglichkeiten zur Schaffung weiterer Insolvenzgerichte zu beschneiden, so dass für Unternehmensinsolvenzen künftig nur noch ein Amtsgericht pro Landgerichtsbezirk zuständig sein sollte. Das ist im Regelfall das Amtsgericht am Sitz des Landgerichts, hier also das Amtsgericht Osnabrück. Dazu sollten folgende Änderungen in § 2 InsO eingefügt werden:
§ 2 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
In Satz 1 werden die Wörter “oder zusätzliche” gestrichen.
Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
“Für Verbraucherinsolvenzverfahren, Nachlassinsolvenzverfahren, Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft und Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft werden die Landesregierungen zudem ermächtigt, zusätzliche Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zu Insolvenzgerichten zu bestimmen.”
Im neuen Satz drei wird das Wort „Ermächtigung“ durch die Wörter „Ermächtigungen nach den Sätzen 1 und 2 durch Rechtsverordnung“ ersetzt.
Die Begründung zum Regierungsentwurf des SanInsFoG vom 16.10.2020 verweist auf Seite 221 darauf, dass durch diese Konzentrationsregelung eine Empfehlung der ESUG-Evaluierung aufgegriffen wird. Genau das ist aber falsch, wie ein Blick in die Empfehlung der ESUG-Evaluation (vgl. hier S. 239) belegt. Hier heißt es zum Thema der Gerichtskonzentration wie folgt:
Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die ESUG-Verfahren (..) jedenfalls aber bei maximal einem Gericht je Landgerichtsbezirk zu konzentrieren sind, um dort spezifische Expertise aufzubauen.
In der ESUG-Evaluation wurde also eine Konzentration der Gerichtszuständigkeiten lediglich für ESUG-Verfahren vorgeschlagen, nicht allgemein für alle Unternehmensinsolvenzen. Die Begründung im Regierungsentwurf ist in diesem Punkt also falsch. Das ist deshalb bedeutsam, weil ESUG-Verfahren (im bundesweiten Schnitt) nicht einmal 3 % aller Verfahren ausmachen.
Auch qualitative Argumente können nicht überzeugen, da die Insolvenzgerichte vor Ort im Insolvenzbereich bereits heute hochspezialisiert und -qualifiziert arbeiten. Es dürfte schlicht kein Fall bekannt sein, in dem eine erhebliche fehlende Qualifikation beim zuständigen Insolvenzgericht vorgelegen hat. Erst recht wird es keinen Fall geben, in dem eine fehlende Qualifikation irgendeinen nachhaltig negativen Einfluss auf die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens hatte. Der Erfolg eines Insolvenzverfahrens dürfte zudem maßgeblich von dem Engagement und der Qualifikation des bestellten Insolvenzverwalters abhängen. Dazu zählt auch die Ortsnähe des Insolvenzverwalters; er muss die Strukturen vor Ort und die regionale Wirtschaft kennen.
Gegen die geplante Änderung formierte sich Protest. So hat sich Frau Rechtsanwältin Dr. Kerstin Dälken als Vorsitzende des Lingener Anwaltvereins gegen die geplante Konzentration der Insolvenzgerichte ausgesprochen und die Neuregelung sogar als Angriff auf die Justiz in der Fläche insgesamt bewertet.
Weitere Infos zum Thema können hier abgerufen werden:
>Pressemitteilung des Amtsgerichts Meppen zum Thema
>Bericht zur Zentralisierung in der Lingener Tagespost
>Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16.10.2020 (Drucksache 619/20) | pdf
Zunächst konnte durch den Protest erreicht werden, dass die Konzentration für Unternehmensinsolvenzen – abweichend von den übrigen Bestimmungen des SanInsFoG-Entwurfes – erst zum 01.01.2022 in Kraft treten sollte. Dazu hieß es in dem geplanten Art. 25 Abs. 2 des Entwurfes wie folgt:
Um den Ländern ausreichend Zeit für die Umsetzung der verstärkten Zuständigkeitskonzentration in Unternehmensinsolvenzsachen zu geben, soll auch diese erst zum 1. Januar 2022 in Kraft treten.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hat eine öffentliche Anhörung zum Thema “SanInsFoG” im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 25.11.2020 ab 11.00 Uhr stattgefunden, die allerdings das Thema der Zentralisierung nicht wesentlich beleuchtet hat. Weiter Informationen zum Thema können via bundestag.de abgerufen werden.
Am 27.11.2020 hat der Bundesrat die im SanInsFoG vorgesehene Änderung des § 2 InsO abgelehnt und so gegen die Konzentration der Insolvenzgerichte bei Unternehmensinsolvenzen votiert. Die Erwägungen des Bundesrates können abgerufen werden.
>Weitere Informationen via bundesrat.de
Einige der betroffenen Bundesländer wurden im aktuellen INDat-Report befragt und haben sich im wesentlichen wie folgt zu der geplanten Konzentration der Gerichte geäußert:
Niedersachsen: Abzulehnen, weil gravierende Schwächung von kleinen Amtsgerichten sowie des gesamten ländlichen Raumes. Der Gesetzentwurf ist auch falsch begründet. Gerade in Zeiten von Covid-19 benötigt die Insolvenzgerichtsbarkeit bewährte Strukturen.
Hessen: Abzulehnen. Die Länder können selbst viel besser entscheiden, wo Insolvenzgericht erforderlich sind als der Bund. Außerdem negative Auswirkungen auf die Standortattraktivität, den ländlichen Raum, Personalbedarfs- und Pensenberechnungen, Sachmittel- und Gebäudeplanung, justizielle Erreichbarkeit sowie Bürgernähe. Außerdem Abschaffung bewährter Strukturen. Geplante Regelungen sind „kategorisch abzulehnen“.
Bayern: Die vom Bund vorgeschlagene starre Regelung zur Konzentration bei Unternehmensinsolvenzen berührt die Flexibilität der Länder im Bereich der Gerichtsorganisation. Deshalb wird sie kritisch gesehen.
Baden-Württemberg: Abzulehnen. Änderungen sind nicht notwendig.
Rheinland-Pfalz: Zuständigkeitskonzentration trifft auf entschiedene Ablehnung. In der gerichtlichen Praxis gibt es schlicht kein Erfordernis für eine weitergehende Zuständigkeitskonzentration.
Schleswig-Holstein: Abzulehnen. Irgendwelche Probleme bei der Bearbeitung der Insolvenzverfahren an den 13 vorhandenen Insolvenzgerichten sind nicht bekannt.
Bremen: Abzulehnen, da das Amtsgericht Bremerhaven nur noch für IK-Verfahren und Nachlassinsolvenzverfahren zuständig wäre. Bewährte Strukturen sollten beibehalten werden.
Zu berücksichtigen ist noch, dass es ja bereits nach geltender Rechtslage jedem Land unbenommen bleibt, eine entsprechende Konzentration für Unternehmensinsolvenzen vornehmen zu können, wenn dies denn für sinnvoll erachtet wird.
In der Endfassung des SanInsFoG, über die schließlich im Bundestag in zweiter und dritter Lesung beraten und abgestimmt worden ist, war eine Änderung von § 2 InsO dann gar nicht mehr vorgesehen. Der Protest aller Beteiligten hat also im Ergebnis Erfolg gehabt und in Niedersachsen kann die bewährte Struktur der Insolvenzgerichte erhalten bleiben.
Sie haben Fragen zum Thema? Gerne könne Sie zu uns Kontakt aufnehmen!
>Frau Rechtsanwältin Dr. Kerstin Dälken, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Sozialrecht sowie Strafrecht